III. Hannalenas Freunde
In der Zwischenzeit am Hafen...
Louis hat beim Hafenmeister ein
"Gefährt" gekauft, das dieser wohl mal von einem orientalischen
Händler erstanden haben muss. Die Plane über dem Wagen fehlt,
man sieht aber noch das Gestänge, an dem wohl mal eine befestigt
war. Es ist krumm und schief und himmelblau. Der Wagen selbst ist
feuerrot angemalt. Als Louis damit am Kai ankommt, empfangen ihn die
anderen mit Gelächter:
“Sag mal, etwas noch
Auffälligeres konntest du nicht bekommen ?“
fragt ihn
Ferry, das Grinsen nicht unterdrücken könnend, während
die Frauen glucksen und giggeln, um den Wagen herumgehen und sich
königlich amüsieren.
“PAH, Hannalena wird er gefallen, die
steht auf so etwas!“
Louis ist
sichtlich gekränkt.
“Stimmt!“
pflichtet
Joanne ihm bei, dann wir sie unvermittelt ernster:
“Normalerweise - aber wir sind hier, weil sie gerade wild
entschlossen ist…“,
Joanne
versucht, sich die Worte Hannalenas ins Gedächtnis zu rufen,
"…ein unauffälliges Leben in geordneter Umgebung zu
führen.“
“Meinst du, das da passt dazu?“
und
wieder verzieht sich ihr Gesicht zu einem mühsam unterdrücken
Lachen.
Louis lenkt
ein, denn eigentlich sind die vier mehr als Kollegen, vielmehr alte
Freunde.
“Ja, Ja ... lacht ihr nur, aber ein bisschen Farbe im Leben
hat noch niemand geschadet und wenn's Hannalena nicht gefällt,
streich ich ihn eben um.“
“Recht hast du, Louis!“
Ferry
klopft ihm freundschaftlich auf die Schulter und auch die Frauen
lächeln ihm aufmunternd zu.
“und wir helfen Dir dann dabei! Aber jetzt voran, aufladen und
dann ein Gasthaus suchen! Wenn Hannalena heute Abend kein warmes Essen
und ein bequemes Bett hat, kann sie recht "ungeordnet" reagieren.“
Bei Ferrys
Worten lachen sie wieder. Schnell packen alle mit an und flugs ist der
Wagen mit dem Gepäck beladen. Die Frauen setzen sich hinten auf
die Ladefläche, Ferry schwingt sich zu Louis auf den Kutschbock
und dann fahren sie los.
Der feuerrote
Wagen rumpelt durch die Stadt. Die Schlaglöcher in einigen
Strassen lassen die Fracht spielerisch auf und ab hüpfen. Die
beiden Männer auf dem Kutschbock halten nach einem Gasthof
Ausschau, während die Mädchen einfach nur die Häuser
betrachten und sich darüber amüsieren, wie viele Menschen
sich nach ihrem Gefährt umdrehen und ihnen nachsehen.
“Soviel zur Unauffälligkeit“
Chuana
stupst Joanne spielerisch in die Seite
“nach was die wohl mehr schauen ? Nach dem
Wagen...“
sie richtet
sich zu ihrer vollen exotischen Schönheit auf
“…oder nach uns?“
Joanne wirft
gekonnt ihr langes schwarzes Haar zurück und lacht.
“Na, nach was die Männer schauen, kann ich dir sagen
...“
“Da ist ein Gasthaus!“
unterbricht
Ferry das Schwatzen der Mädchen.
“Sieht ganz okay aus, wir sollten fragen, ob sie dort Zimmer
frei haben.“
Ferry
nickt Louis auffordernd zu und mit leichter Hand, so als ob er sein
Leben lang nichts anderes getan hätte, als mit ungewöhnlichen
Wagen durch enge Gassen und über holprige Strassen zu fahren,
lenkt Louis den Wagen vor das Gasthaus und hält an. Während
Louis und Ferry beim Wagen bleiben und auf das Gepäck achten,
springen die Frauen munter von der Ladefläche herunter und
schwatzend und lachend betreten sie die Kneipe.
Es ist ganz
gemütlich dort, an einigen Tischen sitzen Leute und essen, ein
Kellner rennt hin und her, angefeuert von der schrillen Stimme einer
korpulenten Dame hinter dem Tresen.
“Na los, du wirst hier nicht fürs
Rumstehen bezahlt!
Hast du die
letzte Bestellung schon bemerkt?“
“BOAH,
was für eine Kreische!!!“
murmelt
Joanne Chuana zu. Die nickt zustimmend.
“Die scheint hier das Sagen zu haben, da
müssen wir wohl durch, auf, lass es uns hinter uns bringen.“
Die beiden
Frauen treten an die Theke und fragen nach drei Zimmern, zwei
Doppelzimmern und einer Suite (falls es so etwas hier gibt). Die Frau hinter dem Tresen mustert
die beiden eingehend, schließlich sind sie nicht die Sorte Gast,
die hier für gewöhnlich auftaucht. Aber bei dem Wort "Suite" leuchten
ihre Augen geschäftstüchtig auf und sie wird sekundenlang sehr freundlich. Dann aber runzelt sie die Stirn,
stemmt die mächtigen Hände in die noch mächtigeren
Hüften und herrscht die beiden Frauen mit ihrer schrillen Stimme
an:
“Moment mal... da kann ja jeder kommen
und ich mach die Zimmer fertig und dann für nix oder irgendwelche
Zechpreller. Erstmal Geld sehen lassen, ob ihr das
überhaupt bezahlen könnt!“
Joanne
wirft Chuana einen viel sagenden Blick zu und rollt mit den
großen braunen Augen. Dann zieht sie wortlos einen Beutel vom
Gürtel, lässt ihn kurz und unauffällig klimpern,
öffnet ihn und hält die Öffnung des Beutels der Frau
hinter dem Tresen unter die Nase.
“Das wird wohl reichen, denk ich, aber ...“
Joanne
zieht den Beutel schnell zurück und verstaut ihn wieder an ihrem
Gürtel, bevor die Frau mit dem gierigen Blick danach greifen kann.
“…bezahlt wird erst, wenn wir die
Zimmer gesehen und für gut befunden haben, klar?“
Schlagartig
wird die Frau hinter der Theke beflissen und zuvorkommend und
führt die Frauen die Treppe hinauf.
Die Zimmer sind einfach, aber erstaunlich sauber und gut ausgestattet.
Auch die Suite - mit einem eigenen Baderaum, einem Teppich und einem
bequem wirkenden Sessel und einem Tisch davor, auf dem eine Glasplatte
befestigt ist - erfüllt die scheinbar strengen Anforderungen der
Frauen.
Chuana fährt mit dem Zeigefinger über einen Schrank und
betrachtet dann die angeschwärzte Fingerkuppe...
“Also, sauberer könnte es schon
sein..., aber das erledigen wir nachher selbst.
Unsere Herrin ist sehr eigen in diesen Dingen, nicht
wahr?“
Chuana
zwinkert Joanne zu.
“Ja, ja, unglaublich pingelig.“
stimmt
Joanne ihr hastig zu, wendet sich ab, um anscheinend sehr interessiert
die Aussicht aus dem Fenster zu genießen, während sie
Mühe hat, sich ein Lachen zu verkneifen.
Chuana
wendet sich wieder der Wirtin zu.
“Das zieh ich vom Preis für das Zimmer
ab!“
Die
korpulente Frau - trotz der Abzüge ein lukratives Geschäft
witternd - stimmt zähneknirschend zu:
“Sehr wohl, die Herrschaften! Ist auch ein
Abendessen gewünscht?
Die Küche ist gutbürgerlich und reichlich und ... der Wein
geht heute aufs Haus wegen der "Unannehmlichkeiten““
“Ja, ein Abendessen wird gewünscht.
Essen und Trinken für fünf Personen und wirklich reichlich,
wir haben eine lange Reise hinter uns, aber erst bei Einbruch der
Dunkelheit, wenn unsere Herrin eintrifft.“
Zufrieden
mit den Verhandlungsergebnissen schenkt Chuana der Wirtin ein
Lächeln. Dann nimmt sie die Schlüssel für die Zimmer
entgegen.
Wieder
unten in der Gaststube angekommen, erledigen sie die Formalitäten.
Anschließend treten die Frauen hinaus auf die Strasse. Kaum dort
angekommen und nach einem Blick zurück, ob die Tür zum
Gasthaus geschlossen ist, prustet Joanne los:
“Du bist unglaublich, Chuana, wie zur
Hölle hast du deinen Zeigefinger schwarz bekommen? Das Zimmer war
blitzblank!“
Chuana
grinst und zieht ein kleines Stückchen Kohle aus der Rocktasche
“Beim Handeln und in der Liebe sind alle
Mittel erlaubt!“
Herzhaft
lachend laufen die Frauen zu Ferry und Louis und berichten von den
Zimmern. Dann laden sie zusammen das Gepäck aus dem Wagen. Louis
bringt den Wagen in den Schuppen hinter der Kneipe und die Pferde in
den Stall. Als er zurückkehrt, machen sich die vier daran, das
Gepäck auf die Zimmer zu bringen.
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